Anmerkungen von Prof. Hankel

Ein Unterforum für Themen zu den Auswirkungen der europäischen Union auf die verfassungsrechtliche Situation der Deutschen.

Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon maxikatze » Mo 25. Jul 2011, 14:55

Es gibt Leute, die zahlen für Geld jeden Preis.
A.Schopenhauer


Eine neue Mail von Prof Hankel:

Finanzkrise: Nicht die Fondsmanager sind das Problem, sondern der Euro / Offener Appell an Helmut Schmidt

Helmut Schmidt verriet seinen Zeit-Lesern, dass er die Men­schen in drei Kategorien. einteilt: Die erste seien jene 98 Prozent nor­malen Menschen, die als Jungs vielleicht mal Äpfel geklaut haben, aber dann doch anständige Kerle geworden sind. Die zweite Kategorie seien die mit einer kri­minellen Ader, die vor Gericht und ins Gefängnis gehörten.

Die dritte Kategorie seien Invest­mentbanker und Fondsmanager: „Dabei ist das Wort Investmentbanker nur ein Synonym für den Typus Finanzmanager, der uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten hat und jetzt schon wie­der dabei ist, alles genauso zu machen, wie er es bis zum Jahre 2007 gemacht hat”, schrieb, ein zorniger Altkanzler.

Fondsmanager haben sich auf Euro-Garantie verlassen.
Als verdienter Batteriechef und Ober­leutnant der Wehrmacht weiß Schmidt allerdings auch, dass diese die Verleitung zum „Kameradendiebstahl” ebenso un­ter Strafe stellte wie die Tat selbst. Und diese Verleitung zu schändlichem Han­deln liegt im Fall der Euro-Krise vor – und Schmidt ist ja unbestritten einer der Urväter der Gemeinschaftswährung.

Die Währungsgarantie der Europä­ischen Währungsunion (EWU) lautet: Ein Euro ist immer ein Euro, gleich ob er aus Griechenland oder von den an­deren Pleite-Kandidaten stammt, oder von disziplinierten Währungspartnern wie Deutschland, den Niederlanden, Finnland oder Osterreich. Dies musste zwangsläufig dazu führen, dass erstere ohne geringstes Zutun etwas wurden, was sie zuvor niemals waren: international kreditwürdige Länder. Die-„be­schissenen” Fondsmanager haben sich auf diese Garantie verlassen und kräf­tig zugelangt, denn sie brachte, was sie brauchten: saftige Gewinne aus den sich von Griechenland bis Irland bildenden „Blasen” aus boomendem Immobili­ensektor, explodierenden Aktienkursen und ins Kraut schießenden Inflationsge­winnen zufriedener Investoren.

Nur wenige trauten dem Braten nicht und tauschten diese Gewinne aus „wei­chen” Y-Euro (auf den Euro-Scheinen steht die Kennung Y für Griechenland oder anderer Buchstaben wie V oder 5 für Spanien bzw. Italien) rechtzeitig um in originär deutsche und solide X-Euro (dieses X steht für den deutschen Euro).

Doch die Masse der „Spekulanten” aus dem vertrauensseligen Norden der Euro-Zone blieb in den weichen Euro­-Anlagen investiert: Nach Schätzungen der Finanzaufsicht dürften es allein bei den Riester-Renten knapp neun Prozent der „gesicherten” Vermögensbestände sein, und deswegen gibt es nun beides: die Zahlungskrise der Schuldner und die drohenden Verluste bei Banken, Fonds und Versicherungen.

Doch die Frage ist, wer hat diese „Sch…” angerührt? Es sind jene, die 500 Millionen Europäern am Beginn dieser fatalen Entwicklung eingeredet haben, mit dem Euro beschreite der alte Kontinent den Weg zum „wett­bewerbsfähigsten und dynamischsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum – ei­nem Wirtschaftraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einen größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen”, so der 0-Ton der Lissa­bon-Erklärung des EU-Rates vom März 2000. Doch wer sind die geistigen Ver­fasser und Vorbereiter dieses Manifestes?. Es sind jene historischen Monumente wie Deutschlands Altkanzler Helmut Schmidt und sein „williger Vollstrecker” Helmut Kohl. Und für dessen Parteifreundin. und Amtsfortsetzerin Angela Merkel ist deren Vermächtnis trotz ihres merklichen Zögerns „alternativlos”.

Deutschlands wahre Verantwortung für Europa
Doch jetzt geht es nicht mehr um die europäische Lyrik (wenn auch in Fäkal­sprache) altgedienter Politpensionäre. Allein im überschuldeten Teil der Euro­-Zone stehen Hunderte von Milliarden öffentlicher und privater Schulden im Feuer – genaue und verlässliche Zahlen sind bis heute nicht auf dem Tisch. Aber immerhin so viel steht fest: Selbst der kri­senerfahrene Internationale Währungsfonds (IWF) zögert mit weiteren Hilfen, weil er – leider zu Recht – an der „Kre­dittragfähigkeit” (sprich: Seriosität) der Schuldner zweifelt, ein Votum, an dem auch die neue IWF-Chefin, Frankreichs Ex-Finanzministerin Christine Lagarde, bei aller Liebe zum EU-Vertragsbruch nicht vorbeigehen kann.

Auch ehemalige Bundesbankchefs und Ex-„Wirtschaftsweise” die dazu ra­ten, das Schuldenloch, in dem ein ganzer Kontinent zu versinken droht, mit einer „Global-Garantie” zuzudecken, verraten mit solchen „Rettungsplänen” nur, wie sehr sie mit ihrem Amt auch ihren Verstand und ihr Verantwortungsgefühl verloren haben. Denn diese Garantie stellt nicht die Kredittragfähigkeit der Schuldenstaaten wieder her, sondern zer­stört die der Sanierer! Die Rettungsko­sten werden auf Steuerzahler, Sparer und Rentner in den noch leidlich intakten Euro-Ländern abgewälzt. Und wer kauft „Eurobonds”, hinter denen nur faule Kredite und die Verschlimmerung der Krise in den Schuldenländern stehen?

Europa kann sich nicht durch Re­paraturen an seiner Schuldenmaschine – dem Euro – retten. Das kann einzig und allein die Wiederherstellung der Kredittragfähigkeit durch eine verlässlich-stabile von allen Gläubigern akzep­tierte Währung. Entweder die Schuldenländer stellen diese her, indem sie aus dem Euro-Verbund austreten, ihre neue Währung abwerten und so neu starten. Dann sind auch die Gläubiger für einen Schuldennachlass zu haben – oder zu zwingen, wenn sie es nicht freiwillig tun.

Denn Merkels übersehene Alterna­tive lautet: Mit eigener Währung kann jeder Pleitestaat seine Zahlungen an das Ausland ganz einstellen. Oder Deutsch­land besinnt sich auf seine wahre Ver­antwortung für Europa und stellt durch seinen Austritt aus der Euro-Zone diese Situation her. Einen solchen zukunfts­orientierten Rat hätte man von einem Altbundeskanzler und Weltökonomen erwartet. Wenn ihn Weisheit und Verantwortung leiten, sollte Helmut Schmidt ihn jetzt geben.
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Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon AlexRE » Di 26. Jul 2011, 16:00

Die dritte Kategorie seien Invest­mentbanker und Fondsmanager: „Dabei ist das Wort Investmentbanker nur ein Synonym für den Typus Finanzmanager, der uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten hat und jetzt schon wie­der dabei ist, alles genauso zu machen, wie er es bis zum Jahre 2007 gemacht hat”, schrieb, ein zorniger Altkanzler.


Schimpfen konnte H. Schmidt schon immer gut. Er hatte aber auch mal als Bundeskanzler die tatsächliche Möglichkeit, politische Weichen zu stellen und die Zukunft - unsere heutige Gegenwart - ganz wesentlich mitzugestalten.

So war es z. B. meiner Meinung nach damals durchaus vorhersehbar, dass die Methode "Gewinne und Chancen privatisieren, Verluste und Risiken verstaatlichen" jederzeit zu einer großen Bedrohung für den "Wohlstand für alle" werden konnte.

Als der personifizierte gesamtwirtschaftliche Weitblick hätte er damals eigentlich an einer grundgesetzlichen Abwehrkräften gegen dieses Gefahrenpotential für die freie und soziale Marktwirtschaft arbeiten müssen. Andere Leute ausschimpfen ist aber leichter.

Hier übrigens eine bekannte Ankündigung von Helmut Schmidt aus dem Jahre 1982:

Erinnernswert auch die Art, wie in den 80er-Jahren durchgängig in allen Parteien über das "Türkenproblem" verhandelt wurde. "Mir kommt kein Türke mehr über die Grenze", so sagte es Helmut Schmidt 1982 und so ähnlich sagten es alle anderen.


Quelle: berlinonline.de
Der Stuttgarter OB Rommel:

Ich trete überall, wo das notwendig ist, der Meinung entgegen, der Umstand, dass die Diktatur zu allem fähig war, berechtige dazu, die Demokratie zu allem unfähig zu machen.
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Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon maxikatze » Mi 27. Jul 2011, 16:33

Der zweite Brief an die Bundeskanzlerin kann noch immer mitgezeichnet werden:

http://www.dr-hankel.de/zweiter-brief-a ... regierung/

Der nächste Link führt direkt zur Unterschriftenliste:

http://www.dr-hankel.de/ein-europaischer-marshall-plan/



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Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon maxikatze » Mi 17. Aug 2011, 07:54

Brief 1:
Sehr geehrte Frau Bundeskanzler,

wem gehört eine Währung? Gewisslich nicht Ihnen oder Ihrer Regierung; auch nicht jener Vorgänger-Regierung, die den Deutschen das bislang beste und stabilste Geld ihrer Geschichte wegnahm, ohne sie zu fragen: die Deutsche Mark (DM). Mit diesem Geld schaffte unser Volk nach der Stunde Null den Wiederaufstieg aus Ruinen, den Aufbau einer leistungsfähigen Volkswirtschaft und die Rückkehr in den Kreis der weltweit geachteten Nationen. Die ganze Welt hat uns dafür bewundert und tut es noch heute.

Deswegen kam es einem Staatstreich gleich, als ihr Amtsvorgänger, der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, seinen Namen unter jenen Vertrag setzte, der die deutsche Währungssouveränität aufhob und unser Land einem Geldwesen überantwortete, das es seitdem mit damals 11, inzwischen 16 anderen europäischen Nationen teilt: dem Euro. Was er Deutschland damit angetan hat, hat niemand klarer und klassischer ausgedrückt als der bedeutende österreichisch-deutsche Ökonom Joseph A. Schumpeter lange vor Einführung der DM: “Im Geldwesen eines Volkes spiegelt (sich) alles, was dieses Volk will, tut, erleidet, ist… Von (ihm) geht ein wesentlicher Einfluss auf sein Wirtschaftsleben und sein Schicksal überhaupt aus… (Er) ist ein Symptom aller seiner Zustände”.

Mit der Wegnahme der DM hat der frühere Bundeskanzler Kohl den Deutschen ihre Identität geraubt und ihre große geschichtliche Leistung annulliert. Er konnte das nur, weil das Recht des Volkes auf seine Währung nicht in unserer Verfassung steht und er den Übergang zur Euro-Währung mit Versprechungen rechtfertigte, bei denen von Beginn an feststand, dass weder er noch seine Nachfolger sie würden einlösen können: Der Euro würde die Einheit Europas befördern, ein Wirtschaftswunder auslösen, Europas Stellung in der Weltwirtschaft stärken – und dennoch so stabil sein und bleiben wie die alte DM.

Ich habe damals vor 10 Jahren mit drei meiner Freunde und Fachkollegen unermüdlich auf die Hohlheit und Unerfüllbarkeit all dieser Versprechen hingewiesen. Wir sind vor das Bundesverfassungsgericht gezogen und haben unser höchstes Gericht auf die mit dem Währungswechsel verbundenen Risiken und die dahinter stehenden Täuschungsabsichten aufmerksam gemacht und das Gericht an sein früheres Urteil (von 1993) erinnert, dass, wenn sich der Euro als nicht so stabil wie die DM erweise, Deutschland die Währungsunion wieder verlassen könne, wenn nicht sogar müsse. Vergebens. Die obersten Richter verhielten sich wie Notare: Der Vertrag sei ordnungsmäßig geschlossen, also gelte er. Sie weigerten sich, den Inhalt zu überprüfen.

Doch seit der Griechenlandkrise liegt die Wahrheit auf dem Tisch. Unsere Warnungen vor der Aufgabe der Währungssouveränität haben sich auf der ganzen Linie bestätigt. Der Euro hat die Einheit Europas nicht vorangebracht, sondern blockiert. Die Völker Europas waren niemals uneiniger als jetzt. Die einen haben den Euro für ihre nationalen Zwecke missbraucht, ihn inflationiert und sich über die Halskrause verschuldet; die anderen müssen dafür zahlen.

Der Euro hat uns vor keiner Krise geschützt, im Gegenteil: er hat die internationale Spekulation gegen ihn angefacht und verstärkt. Er ist weder ein Integrationsmotor gewesen, noch hat er sich als Schutzschild bewährt. Eines ist aber auch klar geworden: Es wird diese Gemeinschaftswährung nur solange geben, wie Deutschland für sie zahlt.
Daher heute mein Appell an Sie:

Hören Sie nicht auf die falschen Europäer, die nur an ihre Pöstchen und Pfründen denken. Die EU ist kein Superstaat, sondern eine Union freier, demokratischer Nationen mit uralter und zu bewahrender Kultur und Identität, kein Einheitsvolk oder Völkermischmasch. Dieses Europa kann (und darf!) nicht von einem Brüsseler “Politbüro” aus ohne demokratischen Rückhalt im Volke (und welchem Volke?) regiert werden.

Geben Sie den Staaten Europas ihre Währungen wieder; denn ohne diese gibt es dort keine Wirtschaftswunder, wie einst in Deutschland - weder in Griechenland noch den anderen Staaten in ähnlicher Lage.

Und bedenken Sie: Nur wenn es den Staaten Europas wieder gut geht und sie ihre Krisen gemeistert haben (so gut wie unsere Nachbarstaaten ohne Euro, siehe Schweiz, Schweden oder Norwegen) wird es auch mit der europäischen Integration wieder vorangehen – was wir alle (auch die “Euroskeptiker”) wollen.

Sie haben die historische Chance, die verheerenden und unverantwortbaren Fehler Ihrer Amtsvorgänger zu korrigieren, Europa und Deutschland wieder auf den richtigen Weg zu bringen und als “Angela die Große” in die Geschichtsbücher der europäischen Nationen einzugehen. Nützen Sie sie!”

Dies wünscht Ihnen und allen Deutschen

Ihr

Wilhelm Hankel

Zitat Quelle: http://de.nachrichten.yahoo.com/merkel- ... 28846.html
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Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon maxikatze » Mi 17. Aug 2011, 07:59

Brief 2:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzler,

leider haben Sie auf meinen ersten Brief vom 27.03.2010 nicht reagiert. Daher muss ich nochmals auf die Angelegenheit zurückkommen, denn zwischenzeitlich hat sich das Problem, was auf uns Deutsche und Europäer zukommt, noch verschlimmert.

Sowohl das „Griechenland- Hilfe- Gesetz" vom 7. Mai 2010, wie auch das spätere „Rettungsschirm - Gesetz" vom 10. Mai 2010, stellen nicht nur schwere Verstöße gegen die EU - Gesetze -, sondern auch gegen unser eigenes deutsches Grundgesetz dar.
Sie kennen die Situation aufgrund der Ihnen wohl bekannten Klage der inzwischen 5 Professoren vor dem Bundesverfassungsgericht. Aber auch Ihre eigenen Mitarbeiter haben es Ihnen längst mitgeteilt.
Es geht in dieser Sache um schwerwiegende Rechtsbrüche. Sie sind noch gefährlicher als die ökonomischen Konsequenzen. Europa ist die Heimat des Rechtsstaates. Der Euro wird am "Rettungsfonds" nicht gesunden, sondern zu einer europäischen Schwachwährung verkommen.
Die dicht vor dem Staatsbankrott stehenden Länder insbesondere, der südlichen aber zum Teil auch aus der westlichen Eurozone, werden durch die Hilfskredite weder entschuldet, noch wird sich ihr bisheriges Verhalten ändern. Das Geld des Rettungsfonds fließt schließlich nicht den Ländern zu, sondern den konkursreifen Banken. Und die Regierungen dieser Länder werden die mit der Hilfe verbundenen Auflagen nicht erfüllen, weil sie das gar nicht können, ohne die politische und wirtschaftliche Stabilität ihrer Länder zu gefährden.
Es ist zutiefst unglaubwürdig, wenn Ihr Finanzminister Sparhaushalte verkündet und gleichzeitig 70 % der jährlichen Steuereinnahmen des Bundes für Rettungsmaßnahmen zur Verfügung stellt, deren Misserfolg bereits feststeht.
Deutschland wie auch die wenigen anderen wirtschaftlich noch starken Länder der Eurozone zahlen in ein Fass ohne Boden. Dieses Geld, das jetzt vom deutschen Steuerzahler aufgebracht werden muss, geht Deutschlands Bürgern und ihrer Zukunft verloren. Schon jetzt müssen Sie einräumen, dass unser Land weder seinen Verpflichtungen als Sozialstaat nachkommt, noch seine Versprechen für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen erfüllen kann. Ich bin mir sicher Sie werden noch erleben, dass diese Sparpolitik zu ähnlichen Verhältnissen in unserem Land führt, wie wir sie heute in Griechenland sehen: demonstrierende Menschen, brennende Autos, klirrende Fensterscheiben und vielleicht Schlimmeres. Wollen Sie das verantworten?
Ich appelliere daher an Sie, diese Gesetze, noch bevor das Bundesverfassungsgericht sie für unwirksam erklärt, zu widerrufen. Sie haben geschworen „Schaden vom deutschen Volk abzuwehren" - hiermit haben Sie die Gelegenheit. Der Schutzschirm aus Brüssel rettet die Währungsunion nicht.

Dies ist mein und unser öffentlicher Aufruf an das deutsche Volk und an Sie. Setzen Sie ihn um!

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Wilhelm Hankel


http://de.nachrichten.yahoo.com/merkel- ... 28846.html
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Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon maxikatze » Fr 19. Aug 2011, 22:38

Transferunion schürt weitere Sozialkonflikte:

In ihrer Panik lassen die sogenannten Euro-Retter nichts unversucht, der Gemeinschaftswährung die letzte Überlebenschance zu rauben. Mit der Währungsunion zwischen 17 die multikulturelle Vielfalt Europas wiederspiegelnden und zugleich auslebenden Teilnehmerländern haben die Euro-Politiker den Experimentalbeweis erbracht, daß es ein für alle EU-Staaten gleich gutes und stabiles Geld nicht geben kann. Jede der europäischen Gesellschaften und Kulturen verbindet mit dem Geldwesen andere Lebensvorstellungen und -träume, die jeweilige nationale Politik reflektiert diese Mentalität und hat ihr zu folgen.

Jeder Euro-Staat setzt daher mit seiner Geld- und Finanzpolitik andere Akzente. Das ist der eigentliche Grund für das Scheitern der 1999 geschaffenen und 2002 im Portemonaie des Bürgers angekommenen Europäischen Währungsunion (EWU). Von Beginn an war klar, daß es so etwas wie eine Stabilitätspolitik nach deutschem Muster und Vorbild in der Euro-Union niemals geben würde – und könne. Kluge Ökonomen haben dies der Politik von Beginn an zu bedenken gegeben – leider nicht alle, und am wenigsten jene, die es am besten hätten wissen müssen: die Experten in Regierungen, Finanz- und Großindustrie.

Das Modell der Deutschen Bundesbank (das nach der Währungsreform 1948 durch Freisetzung zuvor ungeahnter unternehmerischer Energien ein „Wirtschaftswunder“ bewirkt hat) war weder auf ganz noch halb Europa übertragbar. Nicht einmal auf unseren Nachbar Frankreich! Jetzt liegt das Kind im Brunnen. Und wieder haben die Euro-Retter alles vergessen und nichts dazu gelernt. Der Euro kann weder durch noch so viele und traute Tete à Tetes des deutschen Michel, vertreten durch Angela Merkel, mit Frankreichs Marianne, verkörpert durch Nicholas Sarkozy, noch durch eine neue Wunderwaffe namens „Euro-Bonds“ gerettet werden.

Dieser Begriff bezeichnet die seit Beginn der Griechenlandkrise im Frühjahr 2010 ernsthaft diskutierten Staatsanleihen eines „Staates“, den es nicht gibt und nie geben wird – nämlich des „eingetragenen Vereins“ EU. Die gemeinschaftlichen Euro-Bonds sollen garantiert werden von den Steuerzahlern seiner zahlungsfähigsten Mitgliedsländer, also allen voran Deutschland. Für Griechenland, Portugal und Irland war es auf Grund ihrer Schuldenlast unmöglich, sich zu bezahlbaren Konditionen am Kapitalmarkt zu refinanzieren – sie mußten unter den Euro-Rettungsschirm (für den theoretisch alle Euro-Länder bürgen) flüchten.

Da nun auch Spanien und Italien immer höhere Zinsen für ihre Anleihen bieten müssen und der 750-Milliarden-Rettungsschirm für sie (geschweige denn Frankreich) ausreichen würde, müssen neue Hilfskonstrukte her. Man weiß nicht, was hier überwiegt her: der schiere Unverstand oder die zynische Verantwortungslosigkeit? Wie können Politiker ernstlich glauben, Überschuldung ließe sich immer fort durch noch billigere Schulden kurieren? Wie können Experten nach den bösen Erfahrungen mit der Finanz- und Bankenkrise für ihre (Un-)Wertpapiere, hinter denen lediglich die Schrottanleihen der vom Konkurs bedrohten Euro-Staaten stehen, überhaupt einen zahlungswilligen und aufnahmefähigen Markt vermuten, der sich mit „deutschen“ Zinsen begnügt?

Wer immer diese Papiere kauft, kann sie gleich abschreiben. Ein deutscher Finanzminister, der für bereits gegebene – aber erfolglose – Hilfsversprechen an solche Euro-Staaten vier Fünftel seines Jahresetats verpfändet, verliert automatisch seine Kreditwürdigkeit, wenn er bei dann bei eine Staatsverschuldung von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (derzeit schon 80 Prozent) angekommen ist oder diese rote Linie gar überschreitet. US-Präsident Barack Obama wird es gerne bestätigen.

In der gesamten Nachkriegszeit ist kein deutscher Finanzminister jemals so leichtfertig mit seinem Haushalt und dem Geld des Steuerzahlers umgesprungen, wie Wolfgang Schäuble. Die gefährlichste Folge des wie auch immer finanzierten Finanzausgleichs unter den ungleichen Euro-Staaten aber wird tot geschwiegen: der für den Hauptretter Deutschland unausweichliche Zinsanstieg. Er stürzt das Land aus der gerade überwundenen Realkrise zurück in neue Wachstumsschwäche, in Investitionsrückgang und die fatale Zunahme der Arbeitslosigkeit.

Mit der Transferunion (in der Europa mit den Euro-Bonds definitiv angekommen ist) wird nicht nur das Lieblingskind aller deutschen EU-Politiker gemordet: der Euro. Europa öffnet sich selber das Tor für Sozialunruhen und Jugendrevolten à la London, Athen oder Madrid. Was schreckt bei dieser Art der Euro-Rettung mehr: der drohende Verlust der Kreditwürdigkeit à la USA oder die Übertragung der Sozialkonflikte auf die noch ruhigen Kapitalen der Euro-Zone wie Berlin? Das eine wie das andere! Europa muß sich entscheiden, ob es sich mit unfähigen Politikern in die Doppel-Gefahr instabilen Geldes und instabiler Verhältnisse stürzt – oder sich Politiker sucht, die beides vermeiden; es mit stabilem Geld vor diesen Gefahren bewahrt.


Für alle die Prof. Hankel nicht im Deutschlandfunk hören konnten:

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/drad ... 57f4bd.mp3
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Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon Staber » Sa 20. Aug 2011, 17:28

AlexRE hat geschrieben:
Die dritte Kategorie seien Invest­mentbanker und Fondsmanager: „Dabei ist das Wort Investmentbanker nur ein Synonym für den Typus Finanzmanager, der uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten hat und jetzt schon wie­der dabei ist, alles genauso zu machen, wie er es bis zum Jahre 2007 gemacht hat”, schrieb, ein zorniger Altkanzler.


Schimpfen konnte H. Schmidt schon immer gut. Er hatte aber auch mal als Bundeskanzler die tatsächliche Möglichkeit, politische Weichen zu stellen und die Zukunft - unsere heutige Gegenwart - ganz wesentlich mitzugestalten.

So war es z. B. meiner Meinung nach damals durchaus vorhersehbar, dass die Methode "Gewinne und Chancen privatisieren, Verluste und Risiken verstaatlichen" jederzeit zu einer großen Bedrohung für den "Wohlstand für alle" werden konnte.

Als der personifizierte gesamtwirtschaftliche Weitblick hätte er damals eigentlich an einer grundgesetzlichen Abwehrkräften gegen dieses Gefahrenpotential für die freie und soziale Marktwirtschaft arbeiten müssen. Andere Leute ausschimpfen ist aber leichter.

Hier übrigens eine bekannte Ankündigung von Helmut Schmidt aus dem Jahre 1982:

Erinnernswert auch die Art, wie in den 80er-Jahren durchgängig in allen Parteien über das "Türkenproblem" verhandelt wurde. "Mir kommt kein Türke mehr über die Grenze", so sagte es Helmut Schmidt 1982 und so ähnlich sagten es alle anderen.


Quelle: berlinonline.de


Helmut Schmidt ist und bleibt nach Adenauer der einzige Deutsche Staatsmann der in seiner Regierungszeit wirklich regiert hat. Auch wenn der eine oder andere Fehler von ihm gemacht wurde.
Die damaligen Politiker haben eine Menge Lebenserfahrung mit eingebracht. Das hat dann ihre politischen Entscheidungen für das Volk geprägt. Wenn man sich heute diese jungen Hüpfer ansieht, die außer der Schulbank nichts gesehen und erlebt haben, dann wundert mich überhaupt nichts mehr. Für Politiker müsste ein Mindestalter von 45 Jahren gelten und eine mindestens 10-jährige Berufserfahrung in der freien Wirtschaft. Erst dann dürften sie ein Mitspracherecht bekommen. Ich wette, dass danach manch eine Entscheidung anders aussähe! Vor allem sollte diese üppige Bezahlung bis zur Bahre aufhören. Es ist Quatsch, dass es vor Korruption und Bestechung schützt, wenn man nur genug Geld zahlt. Seht Euch doch die Realität an. Vor einem Politiker wie es Schmidt, der mit Umsicht und Klugheit regierte, habe ich alle Achtung .
Mogadischu, Hamburger Flutkatastrophe,Nato - Doppelbeschluß nur einige Beispiele die er gut gehändelt hat.

Gruß Horst
Eine Träne zu trocknen ist ehrenvoller als Ströme von Blut zu vergießen.
Lord George Gordon Noel Byron
Gesund bleiben !
Gruß Staber
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Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon maxikatze » Di 30. Aug 2011, 22:09

http://www.dr-hankel.de/2011/08/30/lese ... %e2%80%9c/


Leserbrief zur SZ-Ausgabe vom 27/28. 08. 2011 Seite 13 (Feuilleton) und „letzte Seite“
30. August 2011 | Autor: Prof. Dr. Wilhelm Hankel

"Die „Süddeutsche“ hat sich ein historisches Verdienst erworben. Sie hat die Schicksalsfrage unserer Zeit, gestellt von Thomas Steinfeld im Feuilleton (Wer gibt uns einen Feind mit Gesicht?) auf ihrer letzten Seite (Wochenende) klar und präzise beantwortet: der Ehrenvorsitzende der bayrischen Staatspartei (CSU) Theo Waigel.

Herr Steinfeld sorgt sich zu recht um unsere jungen zornigen Leute, die rund ums Mittelmehr, von Nordafrika bis Südeuropa protestieren, nur gegen wen? Korrupte Diktatoren, inkompetente Regierungen, das System, die Alten, die statt etwas zu vererben unbezahlbare Hypotheken hinterlassen? Als Feuilletonist sei ihm verziehen, dass er zur Klärung den überschätzten US-Ökonomen (Hyman P. Minsky) heranzieht: Von subjektiven Einschätzungen, Erwartungen, Stimmun-gen gesteuerte Märkte seien per se volatil und instabil, also wenig vertrauens-würdig. John Maynard Keynes, auf den Minsky sich bezieht, ist dafür gerade kein Kronzeuge. Keynes war zwar gegen das „Laissez-faire“ der Märkte, aber stets davon überzeugt, dass sie sich mit sach- und fachkundiger Politik steuern lassen und dass es dazu keine Alternative gibt – es sei denn man wolle Chaos oder mit Lenin (wie er mehrfach ausführt) die bürgerliche Gesellschaft zerstören, indem man ihr Geldwesen zerrüttet.

Genau das schafft der von Herrn Winkler auf „der letzten Seite“ derselben Ausgabe pixelgetreu konterfeite Ehrenvorsitzende der bayrischen Staatspartei: ein Politiker wie er offenbar zur Folklore dieses schönen Bundeslandes gehört: eitel, inkompetent, christlich, aber letztlich nur ein sich demaskierender Phari-säer.

Weil es ihm gut geht, nimmt er die Sorgen anderer Menschen kein bißchen ernst. Seine Rente ist ja so sicher ist wie die seines langjährigen Kollegen Blüm. Deswegen empfiehlt er Menschen, die mehr Sachverstand besitzen als er, den Gang zum Psychiater - warum nicht gleich in die Klapsmühle? Wenn die Eu-ropäische Zentralbank unter Bruch von Statut und gesiegelten Verträgen ihren Auftrag, die Währung zu schützen, vergisst und zur „Beruhigung der Finanz-märkte“ (so EZB-Präsident Trichet) inzwischen für mehr als 100 Milliarden € Schrottanleihen kauft und mit ungedecktem Geld bezahlt, dann sind das für Herrn Waigel „Peanuts“; die daraus resultierenden Folgen nichts weiter als „irreführende Eindrücke“. Und wenn er als früher deutscher Finanzminister nach 12 Jahren Erfahrung mit der Gemeinschaftswährung im Brustton der Überzeu-gung verkündet, Deutschland habe sich mit ihr (und natürlich dank ihm!) „unge-heure Wettbewerbsvorteile“ verschafft, dann muss man sich fragen, was daraus mehr spricht: Realitätsblindheit, fachliche Inkompetenz oder Selbstüber-schätzung der eigenen Person. Deutschland hat in den Euro-Jahren den größten „Blutverlust“ an finanziellen und materiellen Ressourcen seit dem 2.Weltkrieg erlebt: Zwei Drittel seiner Ersparnisse flossen (laut Ifo) über den Leistungsbi-lanzausgleich (die Defizite unserer Partner) ins Ausland ab, die deutsche Investitionsquote (Anteil am Bruttoinlandsprodukt) erreichte ihren historisch tiefsten Stand und die über den Euro vermiedene DM-Aufwertung früherer Zeiten (laut Waigel und anderer Kollegen ein Plus für die deutsche Export-wirtschaft) stellt, um mit Karl Schiller zu sprechen, eine verlorene „Sozial-dividende“ für alle Deutschen dar. Die schlichte Wahrheit ist: Die Deutschen bekommen im Euro weniger für ihr verdientes Geld als früher mit der D-Mark und die deutsche Exportwirtschaft hat den Anteil ihrer €-Exporte (laut IWF) kein bisschen gesteigert. Das zu verstehen überfordert entweder Herrn Waigels und vieler seiner Kollegen Verstand, oder er weiß es und behauptet das Gegen-teil.

Was auf Europa mit dem Euro zukommt, ist weder Immanuel Kants „ewiger Frieden“ noch Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“. Mit der Fortführung des Euro-Projektes droht Europa die Ausuferung der Wirtschaftskriege aller gegen alle und die gemeinsame Verarmung von Euro-Rettern und –Geretteten. Wenn die jungen Leute auf den Straßen Athens, Madrids, Londons, demnächst in Paris und Berlin nach einem Gesicht für ihre Proteste suchen: Es gibt genug Waigels und Co."



Wer Prof. Hankel bei seinem europäischen Marshallplan unterstützen möchte, kann das hier tun:
http://www.dr-hankel.de/ein-europaischer-marshall-plan/
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Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon maxikatze » Mi 31. Aug 2011, 22:12

Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

gerade haben ich eine Interviewanfrage von der ARD erhalten für das Nachtmagazin um 0:00 Uhr.

Ich habe zugesagt und freue mich über jeden Zuschauer.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Wilhelm Hankel
"Die größte Errungenschaft unserer freiheitlichen Kultur ist die Überwindung von Denkverboten." (Vince Ebert)
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Re: Anmerkungen von Prof. Hankel

Beitragvon maxikatze » Mo 3. Okt 2011, 12:08

http://www.dr-hankel.de/2011/09/30/unru ... lich-frei/

Aus dem Interview:
Der Wirtschaftswissenschaftler und Währungsspezialist Professor Wilhelm Hankel war vom Start weg einer der prominentesten Euro-Gegner. Bereits 1997 reichte Hankel gemeinsam mit den Professoren-Kollegen Wilhelm Nölling, Joachim Starbatty und Karl Albrecht Schachtschneider Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen Amsterdamer Vertrag zur Einführung des Euro ein, die jedoch nicht erfolgreich war. Im Mai 2010 klagten die vier erneut, diesmal gemeinsam mit Dieter Spethmann, gegen den Milliardenkredit für die Griechenland-Hilfe. Im Interview mit eigentümlich frei spricht Hankel, einst Erfinder der Bundesschatzbriefe, über die Klage gegen den Euro-Rettungsschirm, das womöglich nahende Ende der Gemeinschaftswährung sowie die sich daraus ergebenden ökonomischen und politischen Perspektiven.

ef: Herr Professor Hankel, das Bundesverfassungsgericht hat am 5. Juli Ihre Klage mündlich verhandelt. Waren Sie mit dem Verlauf zufrieden?
Hankel: Es war die erste Reaktion des Bundesverfassungsgerichts auf eine Klage, die wir ja schon vor einem Jahr angestrengt haben, nämlich gegen die damalige Einrichtung der Ad-hoc-Hilfen für Griechenland. Diese Hilfen sind ja inzwischen institutionalisiert worden durch einen ersten Stabilisierungsfonds, ein zweiter Stabilisierungsfonds ist in Vorbereitung. Gegen den können wir noch nicht klagen, weil er ja noch nicht parlamentarischen Hürden genommen hat, also noch nicht existent ist. Aber das Gericht ist sich völlig darüber im Klaren, dass die Klage sich natürlich gegen die Verfestigung der Hilfe richtet, und man ist auch darauf eingerichtet, dass zu den bisherigen Klagen noch eine Zusackalge kommen wird.

ef: Worum geht es bei Ihrer Klage im Kern?
Hankel: Das Zentrum der Klage ist erstens: Sind die jetzt eingegangenen Hilfsverpflichtungen sowohl Deutschlands wie auch der übrigen Euro-Staaten mit den Rechtsgrundlagen der Europäischen Union vereinbar? Zweitens: Sind sie mit der deutschen Verfassung vereinbar? Und drittens: macht sich das Gericht Gedanken über künftige Struktur Europas nicht nur al einer Währungs-, sondern auch als Transferunion. Das sind die drei Schwerpunkte. Der alte EU-Vertrag verbietet jede Haftung eines Euro-Staates für den anderen.

Das ist die vielzitierte No-Bail-out-Klausel Artikel 125 im EU-Vertrag. Wenn man nun Rettungsfonds für den Euro einführt, die genau das zum Ziel haben, nämlich Staaten, die in Verschuldungsproblemen stecken, auszulösen, verstößt ein Fonds auch gegen EU-Recht. Zweitens verstößt diese Maschinerie gegen das Grundgesetz.


ef: Warum genau?
Hankel: Das stützt sich auf drei grundlegenden Überlegungen. Erstens hat nach Paragraph 38 Grundgesetz jeder Bundesbürger das Recht auf eine Vertretung seiner demokratischen Ansichten durch seine Abgeordneten im deutschen Bundestag. Das ist das so genannte Demokratierecht. Das Zweite ist die Übertragung von Haushaltskompetenz. Die Festlegung des Bundeshaushalts ist sozusagen das originäre und primäre Recht eines Parlaments. Das kann nicht so ohne weiteres transferiert und auf Europäische Organe übertragen werden. Eine dritte Klagelinie ist: Wenn es aufgrund all dieser Rechtsbrüche zu einer Inflationierung des Euro kommt, wofür ökonomisch leider vieles spricht, dann sind auch die Eigentumsrechte des Bundesbürgers nach Artikel 14 Grundgesetz berührt.


ef: Die Politik verspricht: „Der Euro ist so hart wie die Mark“. Das klingt fast wie eine Beschwörungsformel.
Hankel: Es war eine Grundüberlegung des deutschen Verfassungsgerichts schon in den ersten Urteilen zu Maastricht von 1993, dass diese Währungsunion nur eingegangen werden kann und darf, wenn die neue Währung den Stabilitätsansprüchen der alten Währung entspricht – also so stabil bleibt und ist wie die D-Mark. Das Verfassungsgericht hat im Urteil von 1993 sogar ganz kategorisch gesagt: Wenn das nicht der Fall ist, dann hätte Deutschland das Recht, aus der Währungsunion auszutreten.


ef: Wie haben sich die Richter Anfang Juli in der Anhörung verhalten?
Hankel: Aus den Fragen der Richter kann man natürlich gewisse Rückschlüsse ziehen. Mir ist dabei aufgefallen, dass sie besonders oft Finanzminister Schäuble, der ja zeitweilig anwesend war, befragt haben, wie es eigentlich vorstellbar sei, dass ein Parlament dieses essentielle Budgetrecht übertragen könne. Sie haben also davon gesprochen, dass dies doch eine Verpfändung von Staatseinnahmen auf Jahre und Jahrzehnte hinaus ist. Und sie haben nachgefragt, wie man sich das im einzelnen vorstelle.

ef: Wie hat der Finanzminister reagiert?
Hankel: Herr Schäuble hat keine Antwort darauf gegeben. Er hat sehr pauschal auf die, so wörtlich, Notsituation im Mai vergangenen Jahres hingewiesen. Man habe vor einem Zusammenbruch Griechenlands – vor einer Staatspleite, so seine Worte – gestanden, und man musste befürchten, dass sich aus dieser Staatspleite eine Kettenreaktion im Finanzsektor ergeben könne, ähnlich jener nach der Lehman-Brothters-Krise. Und da dies den Euro gefährde, habe man handeln müssen. Das Gericht hat mich dann befragt, was denn nach meiner Sicht in dieser Frage falsch gelaufen sei. Wenn man gar nichts gemacht hätte im Mai 2010, wenn man also die von Herrn Schäuble beschworene Notsituation als solche gar nicht anerkannt, sondern überhaupt nichts gemacht hätte, dann wäre die heutigen Probleme gar nicht entstanden. Und das Gericht hat sehr aufmerksam zugehört, als ich darlegte, dass wenn man gar nichts gemacht hätte, der Zwang der Ereignisse und besonders der Zwang der Märkte dazu geführt hätten, dass Griechenland schon seit einem Jahr aus dem Euro ausgetreten wäre. Und wäre es bereits seit einem Jahr ausgetreten, dann wäre es bereits heute auf Erholungskurs.

ef: Die Politik bestreitet die vehement. Welches Wundermittel hätte die Griechen aus dem Sumpf gezogen?
Hankel: Griechenland hätte aus dem Zwang der Dinge heraus genau das getan, was man in 3.000 Jahren Geldgeschichte in solchen Lagen immer tut – man wertet ab. Man verhandelt mit den Gläubigern über einen Schuldennachlass, über einen sogenannten „Haircut“. Den bekommt man auch, weil jeder Gläubiger weiß, dass der Schuldner ohne Haircut schlicht die Zahlungen einstellt. Also einigt man sich auf einen mittleren Weg. So haben es in den letzten Jahrzehnten alle Staaten in ähnlicher Situation – wie Griechenland, Argentinien, Mexiko, Russland oder die Ukraine – gehalten. Der Austritt aus dem Euro hätte automatisch zu Abwertung und Haircut geführt und er hätte vor allen Dingen dem Land die Rosskur erspart, die heute ökonomisch widersinnig und extrem demokratiefeindlich von EU und IWF im Tandem verlangt werden.
Überall da, wo der Finanzsektor kolossal aufgebläht wurde, ist die Rezession am stärksten. Dass es bei uns bisher glimpflicher abgegangen ist, verdanken wir dem Umstand, dass wir weniger „overbanked“ sind.

ef: Warum ignoriert die Politik so hartnäckig die Tatsache, dass es noch nie eine Sanierung ohne vorherige Abwertung gab, warum klammert sie sich an den Euro um jeden Preis?
Hankel: Es ist für einem Ökonomen eigentlich nicht nachzuvollziehen. Aber vielleicht für einen Politikern, der – wie offensichtlich der frühere Bundeskanzler, aber auch frühere Finanzminister – daran glaubt oder geglaubt hat, das man die Vereinigten Staaten von Europa, die ja das Fernziel aller Europapolitik sind, dadurch bekommt, das man gewissermaßen über die monetäre Hintertreppe geht. Aber was die Herren nicht war haben wollten und was sich nun empirisch gezeigt hat: Die gemeinsame Währung erzeugt nicht Konvergenz, sondern Divergenz. Denn jeder Staat ist seinen Bürgern verpflichtet, er muss seine Ziele realisieren.

ef: So halten es zumindest die Politiker aller Länder außer Deutschlands.
Hankel: Man muss eigentlich etwas fassungslos registrieren, dass die Perspektiven für Deutschland, ein verpfändeter Staatshaushalt auf unbegrenzte Zeit, ja bedeuten, dass sich der deutsche Bürger nicht nur Gedanken machen muss um die Funktionsfähigkeit des eigenen Staates, sondern auch darum, was aus seinem Einkommen nach Steuerabzug wird. Denn die Bedienung dieser Steuerhypothek bedeutet ja schwere Transferzahlungen, die steuerlich aufgebracht werden müssen und letztlich vom Bürger bezahlt werden müssem.

ef: Sie haben schon von einem verpfändeten Staatshaushalt gesprochen. Haben Sie berechnet, was die Euro-Rettungsversuche bislang die Bürger gekostet haben und noch kosten könnten?
Hankel: Darüber hat der Kollege Sinn vom Ifo-Institut dem Gericht einige Zahlen vorgeführt. Man kann davon ausgehen, dass seit der Einführung des Euro im Minimum zwei Drittel der deutschen Gesamtersparnisse nicht mehr in Deutschland investiert worden sind, sondern in Europa. Dass dieses Geld hier nicht zur Verfügung gestanden hat, sieht man daran, dass die Investitionsquote in Deutschland – der Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt – mit Einführung des Euro schlagartig zurückgegangen ist und bis heute die niedrigste unter allen Euro-Ländern ist. Das führende Industrieland in der Eurozone hat die niedrigste Investitionsquote. Man kann weiter davon ausgehen, dass dieser Zwang zur Kostensenkung in erster Linie von den Beziehern von Arbeitseinkommen getragen worden ist. Angesichts der Preissteigerung sind die deutschen Nominaleinkommen – die Arbeitnehmereinkommen, aber auch die Renten, also alle fixierten Einkommen – real gesunken. Das wiederum erklärt die Spaltung unserer Konjunktur, dass es im Exportsektor boomt, aber im Inlandsektor stagniert. Da fehlt einfach die Nachfrage. Ich habe nie verstanden, dass die in Deutschland starken Mittelstandsvertretungen auf diesen Übelstand nie hingewiesen haben. Sie könnten eine einfache Zahl nennen. Den großen Exportunternehmen, die ja allesamt börsennotiert sind, stehen Kreditmittel zum Emissionssatz zur Verfügung – also bei plusminus drei Prozent. Wenn ein nicht notiertes, nicht gelistetes Mittelstandsunternehmen Geld aufnehmen will, muss es zu einer Bank, und die Banken verlangen zwischen sieben und dreizehn Prozent. Das ist eine Wettbewerbsbenachteiligung, wie sie schlimmer gar nicht sein kann. Und nun muss man noch hinzufügen, was wenige wissen: Von der Gesamtsumme aller deutschen Unternehmungen sind ganze 1,2 Prozent an der Börse gelistet. Die übrigen 98,8 Prozent sind auf den teuren Bankkredit angewiesen – und das alles verdanken sie natürlich der Zugehörigkeit zur Eurozone.

ef: Dennoch heißt es in Berlin stets „Deutschland profitiert vom Euro und braucht ihn“. Wird da Deutschland mit Banken und Großindustrie verwechselt?
Hankel: Ja. Ich halte es – ich weiß nicht, ob ich sagen soll für die frechste Lüge oder die größte Inkompetenz – in der Analyse. Wir sehen aus dem Vergleich zum Beispiel Euroland mit den USA oder England, dass überall da, nämlich in den angelsächsischen Volkswirtschaften, wo in den letzten Jahren der Finanzsektor kolossal aufgebläht worden ist, die Rezession am stärksten ist. In England liegt der Anteil der Bankeinkommen am Volkseinkommen bei 20 Prozent, in den USA nur knapp darunter. Dass es bei uns bisher etwas glimpflicher abgegangen ist, verdanken wir dem Umstand, dass wir nicht derart „overbanked“ sind. Aber es ist ganz klar, dass der große Verlierer die Realwirtschaft ist. Schon die große globale Finanzkrise hat gezeigt, dass der Finanzsektor seine traditionelle Servicefunktionen, nämlich Kredite zu mäßigen und ertragsfähigen Konditionen zu liefern, gar nicht mehr wahrnimmt. Der größte Teil der Bankgeschäfte vollzieht sich nicht in der Transformation von Ersparnis und Spareinlagen zu Krediten, sondern von Anlagen in Finanzmärkten. Das heißt, die Banken sind gar nicht mehr Kreditlieferanten, sondern Handelshäuser in Wertpapieren. Dieser Prozess ist in den angelsächsischen Ländern noch weiter fortgeschritten als bei uns. Er wird durch den Euro nun maßgeblich gefördert. Und der große Nachteil der jetzt entstandenen Inflationsunterschiede, die ja wiederum eine Folge der Kapitalanlagen in den armen Euroländern ist, diese Inflationsunterschiede haben nun dazu geführt, dass sich diese Länder kräftig verschuldet haben, und mehr noch, dass wir Schritt für Schritt uns nun an dieser Inflation in den Südstaaten der EU anstecken. Diese Kontaminierung schreitet fort. Und sie wird maßgeblich dadurch gefördert, dass sich – was ein Skandal ungeheurer Art ist – die Europäische Zentralbank (EZB) von einer Notenbank in eine Sanierungsbank für diese Länder verwandelt hat. Die EZB kauft Schrottanleihen oder nimmt sie als Besicherung von Banken herein, bezahlt das ganze mit frischen Geld, mit einer Geldaufblähung, die zunächst mal nur an der Börse wahrgenommen wird als „asset inflation“, als Aufblähung der Börsenpreise, aber zunehmend auch beim Einkommensbezieher ankommt. Nun kommt auch noch innerhalb der Nicht-Unternehmer, innerhalb der Realwirtschaft ein Split hinzu, dass wirkliche Einkommenssteigerungen nur durch Börsenspekulationen entstehen. Das heißt, die Gewinneinkommen, speziell bei Banken, aber auch andere, explodieren, aber die Arbeitseinkommen fallen. Das muss früher oder später zu sozial ähnlichen Zuständen führen wie in Nordafrika!

ef: Dies alles müsste der Politik doch klar sein, sie schadet dem Land.
Hankel: Ja.


ef: Nun haben besonders die Südeuropäer und Irland dank der deutschen tiefen Zinsen nach der Euro-Einführung regelrecht Party gemacht, sich verschuldet, es dabei übertrieben und sind nun mit dem Kater aufgewacht. Die Deutschen, die die Party finanziert haben, sollen nun auch noch die Ausnüchterung berappen – und wenn sie zögern, sind sie sogar der Buhmann. Jeder Privatmann mit einem Funken Restverstand würde die Zahlungen einstellen.
Hankel: Man kann die Rettungspolitik des Euro im Grunde nur vergleichen mit einer öffentliche organisierten Konkursverschleppung. Das juristisch Fatale – und wir sprachen ja über die Reaktion des deutschen Verfassungsgerichts – ist, dass das, was privatwirtschaftlich unter Strafe steht, nämlich die Konkursverschleppung, öffentliche Politik ist. Die sogenannten Rettungsschirme für den Euro sind nichts weiter als Anstalten der Konkursverschleppung für Staaten, die längst hätten Konkurs anmelden müssen, und für Banken, die längst hätten einen Offenbarungseid leisten müssen. Das alles wird jetzt verschleiert, aber nicht nur juristisch, sondern auch monetär, und es kann nur in einer wahnsinnigen Geldaufblähung und Kreditaufblähung enden. Deswegen ist die Inflationierung des Euro – leider vorgezeichnet. Und die Europäische Zentralbank hat sich nicht als Hüter der Währung erwiesen, sondern als Mitspieler in diesem Inflationierungsprozess.

ef: Quasi als Komplize der Staaten.
Hankel: Ja! Ihre Unabhängigkeit hat sie total verloren und fast ist es symbolisch, dass sie sich zuletzt einen neuen Präsidenten wählte, der aus einem Land kommt, das demnächst auch … (lacht) … zu den Kunden des Euro-Rettungsfonds zählen wird. Wie kann man von diesen Gremien erwarten, dass sie einen Kurs fahren, der gegen die Interessen ihrer eigenen Länder gerichtet ist, so wie sie das sehen?


ef: Es ist offensichtlich europäische Strategie: Deutschland zahlt, und die anderen Länder besetzen die wichtigen, entscheidenden Posten.
Zu beklagen ist die laue Reaktion der deutschen Medien, die sich in der Eurofrage sehr bedeckt halten. Daraus schließe ich, dass wir über kurz oder lang doch so etwas wie eine Facebook-Revolte bekommen werden.

Hankel: Nur, wir wissen, dass so etwas nie lange gut geht. Das ist ja die Situation des Lebensretters, der vom Ertrinkenden mit in die Tiefe gerissen wird. Da nützt am Ende beiden nichts.

ef: Man will aber anscheinend gemeinsam untergehen.
Hankel: Es scheint so. Aber das ist natürlich keine sehr konstruktive Strategie, die eigentlich in jedem anderen mir bekannten Kontinent, sogar in Nordafrika, zu Bürgeraufständen führt. Bürger, die ihre Zukunft schwinden sehen, denen ganz klar sein muss, das ihr sauer verdientes Geld in Eurotöpfen versickert und für die andere ausgegeben wird, die ganz klar erkennen können, dass auch ihr Vermögen durch die Inflation aufgezehrt wird, für diese Bürger gilt eigentlich das Prinzip: Unruhe ist die erste Bürgerpflicht! Und nicht, sich mit Frauenfußball ablenken zu lassen.


ef: Oder mit der Droge „Eurobonds“…
Hankel: Der mit ihr verbundene Zinsanstieg ist der sicherste und schnellste Weg in die Rezession. Wer jetzt die Zinsen erhöht, macht aus der Euro-Krise eine Realwirtschaft erst in Deutschland, dann in der von Deutschland geführten Konjunktur in ganz Euro-Land. Es ist unbegreiflich, dass so etwas diskutiert wird. Hier wird aus nackter Rat- und Hilflosigkeit Panik, geradewegs in den Untergang führt.

ef: Um zu einem vielleicht positiveren Szenario zu kommen: Was passiert, wenn Deutschland doch noch die Kurve bekommt und etwa gemeinsam mit Holland, Finnland und Östereich die Eurozone verlässt?
Hankel: Wenn das geschähe, würde die Eurozone eine ganz andere Dimension gewinnen. Dann würden die Länder, die sich mit guten Argumenten bisher aus der Eurozone ferngehalten haben, diese Zone attraktiv finden, die Schweiz, die beiden skandinavischen Länder Dänemark und Schweden. Selbst Norwegen, das überhaupt nichts mit Euro und EU zu tun haben will, würde sich das alles überlegen. Ich würde noch nicht einmal ausschließen. Das dann selbst Russland sich an einer solchen Union beteiligt oder zumindest assoziiert. Und der Süden Europas könnte sich nicht in einer Schwachwährungsunion wieder finden wieder finden, sondern in etwas, was wir ja lange vor dem Euro mit Erfolg hatten, nämlich eine Wechselkursunion. Und das würde bedeuten, dass jedes Land auf Stabilität festgelegt ist, aber wenn es die nicht einhalten kann – wofür es manchmal innenpolitische Gründe gibt – dann noch in moderater Weise abwerten könnte und müsste.

ef: Der Süden Europas könnte ohne die Zwangsjacke Euro wieder atmen?
Hankel: Der unheilvolle Währungsverbund Euro, in dem man Industrieländer und quasi Entwicklungsländer, denn das ist der Süden, zusammenwirft, der würde aufgehoben, was sogar für die Nachhol-Länder ein Vorteil wäre, denn sie wären frei von inflatorischen Gefahren, sie wären frei von Auflagen hinsichtlich ihrer eigenen Entwicklungs- und Strukturpolitik, und sie könnten die Möglichkeiten der Abwertung benutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Griechenland hat in den 60er Jahren mit seiner damaligen Abwertung für viele Jahrzehnte ein Wirtschaftswunder hergestellt, bis es dann langsam in seinem eigenen Inflationsprozess versackte.

ef: In diesem Austrittsszenario wäre Deutschland nicht nur von Milliardenzahlungen entlastet, auch die bisherigen Belastungen plus Staatsschulden wäre leichter mit einer aufgewerteten neuen Mark oder alternativ mit einem Nord-Euro bedienbar.
Hankel: Selbst die deutsche Staatsschuld, die ja auch nicht ganz klein ist, wäre mit einer aufgewerteten D-Mark-Zwei leichter abzutragen als derzeit. Es spricht eigentlich alles dafür, diese Trennung, die in Europa realwirtschaftlich vorgegeben ist, auch monetär zu vollziehen. Das wäre ein vernünftiges Konzept.


ef: Wir haben bisher die USA und den Dollar nicht berücksichtigt. Der frühere US-Notenbankchef Greenspan sagte einmal: „Der Euro wird kommen, aber keinen Bestand haben“. Im französischen „Figaro“ las man, Maastricht sei Versailles, aber ohne Krieg. Teilen sie die Vermutung, dass den Amerikanern die Misere um den Euro nicht ganz ungelegen kommt?
Hankel: Der Dollar hat wesentlich bessere Karten als der Euro. Erstens stellt Amerika fast so etwas wie einen optimalen Währungsraum dar. Denn zu diesem gehört ja nicht nur die Mobilität des Kapitals, die wir hinreichend haben, sondern auch die Mobilität der Arbeitskräfte. Und die ist in den USA ausgeprägt. Amerika ist immer in der Lage, regionale Rezessionen durch die Arbeitskräftemobilität aufzufangen und auszugleichen. Wir sehen derzeit eine massive Abwanderung der Arbeitskräfte um Detroit in den Süden des Landes. Dazu kommt: Keiner der 50 Bundesstaaten der USA hat das Recht zum Bailout. Sie müssen ihre Probleme selber lösen. Und das gibt dem Dollar, bei allen Verschuldungsproblemen des Gesamtstaates, eine gewisse innere Stärke. Und er hat natürlich einen äußeren Privilegienvorteil, der allerdings im Schwinden ist, wenn er noch die weltweit wichtigste Transaktions- und Reservewährung ist. Was bedeutet jeder neu produzierte Dollar zu 60 Prozent ins Ausland geht. Ein Teil der inflatorischen Effekte der US-Geldpolitik wird so abgefangen. Aber: Amerika steht unter Bewährungszwang. Diese Politik kann jetzt nicht ewig fortgesetzt werden. Der Zusammenbruch de Euro, den ich zeitlich vor dem des Dollar ansetzen würde, wird wahrscheinlich Amerika doch Luft verschaffen.


ef: Was steht am Ende der Entwicklung? Der Zerfall der heutigen Staaten durch Staatsbankrotte? Aufstände der Steuerzahler? Ist es für Sie denkbar, dass sich der deutsche Steuerknecht endlos mit Bailouts auspressen lässt?
Hankel: Ich bin ziemlich sicher: am Ende eine qualvollen Drangperiode steht ein neues Bretton-Woods-System. Die Ansätze sind ja in der Gruppe der G 20 schon erkennbar. Es sind vor allen Dinge die BRIC-Staaten und die neuen Schwellenländer, die völlig mit Recht verlangen, dass, wenn sie schon ein Großteil der Finanzierung der heutigen Industrieländer liefert, ihre Interessen sowohl im Weltwährungssystem als auch in einem revidierten IWF stärker berücksichtigt werden. Ein neuer IWF mit eigenen Abrechnungseinheit, den Sonderziehungsrechten, wird den Dollar als Welteinheit ablösen. Und das bedeutet, dass ach die USA, wie jedes normale Mitgliedsland des IWF, unter Stabilitätszwang geraten. Sie können dann nicht mehr mit selbst gedruckten Dollar ihre Defizite bezahlen.

ef: Abschließend, Herr Professor Hankel: Wie sind die Reaktion auf Ihren Einsatz? Haben die sich gewandelt im Laufe der Zeit? Sie sind ja schon seit Mitte der 90er Jahre als Eurogegner aktiv.
Hankel: Wissenschaftlich erfahren ich eine gewisse Genugtuung, dass das, was ich früher gesagt habe und als ketzerische Mindermeinung galt, heute eigentlich von allen ernstzunehmenden Ökonomen – und insgeheim wahrscheinlich auch von allen Journalisten – geteilt wird. Zu beklagen ist die laue Reaktion der deutschen Medien, die sich auch jetzt noch in der Eurofrage sehr bedeckt halten. Und daraus schließe ich, dass wir über kurz oder lang doch so etwas wie eine Facebook-Revolte bekommen werden. Denn aus allen Umfragen, die wir haben, wissen wir, dass inzwischen über 70 Prozent der deutschen Bürger energisch auf Euro-Reformen drängen. Und jetzt kommt meine geheime Hoffnung. Je länger man es versäumt, die Eurozone zu reformieren, desto wahrscheinlicher wird die maximale Lösung – nämlich die Rückkehr zur D-Mark!
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