Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Hier wird das Problem des zunehmend mangelhaften Schutzes der Bürger vor Gewalttaten und dessen verfassungsrechtliche Relevanz erörtert. (Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 GG)

Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon maxikatze » Do 20. Feb 2014, 08:25

AlexRE hat geschrieben:Nachtrag - diese Begründung ist allerdings nicht nachvollziehbar:

Auch könne der Senat keine Anhaltspunkte für eine Notwehrlage aufgrund eines gegenwärtigen Angriffs auf das Eigentum des Angeklagten feststellen. Eine Notwehrlage hätte vorausgesetzt, dass sich der Angeklagte eines solchen Angriffs bewusst gewesen wäre und aus diesem Grund in Verteidigungsabsicht gehandelt hätte.


http://www.oberlandesgericht-celle.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=13597&article_id=112901&_psmand=54

Schließlich hatte der niedergeschossene jugendliche Räuber das Geld bei sich ... :roll:



Ein Schuss in den Rücken? So sieht für mich keine Notwehrsituation aus. Denn um den Täter aufzuhalten und ihn der Polizei zu überlassen, hätte bestimmt ein Schuss ins Bein gereicht.
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Do 20. Feb 2014, 13:22

maxikatze hat geschrieben:Ein Schuss in den Rücken? So sieht für mich keine Notwehrsituation aus. Denn um den Täter aufzuhalten und ihn der Polizei zu überlassen, hätte bestimmt ein Schuss ins Bein gereicht.


Das ist eine mehr oder weniger technische Frage, die Flüchtenden waren schon ein Stück enteilt und auf Distanz kann man die Beine eines schnell laufenden Menschen kaum treffen (höchstens im Kinofilm, wenn der Drehbuchautor das so möchte).

Ich könnte mir aber dennoch vorstellen, dass das OLG Celle dem Rentner gerade deshalb den Willen zur Verteidigung seines Eigentums abgesprochen hat, weil er noch nicht einmal versucht hat, zunächst auf die Beine zu schießen. Gleich den ersten Schuss gezielt tödlich abzufeuern, sieht dann doch etwas nach Rache / Selbstjustiz aus.
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Fr 21. Feb 2014, 22:34

Als Fußnote zu den 12.500,-- Euro "Täter- / Opfer - Ausgleich", den der Vorturner eines Schlägermobs von dem erfolgreich Notwehr übenden Informatik - Studenten erhalten hat:

Amtsgericht Meldorf

Zwei Faustschläge nach Fremdgehen - Kein Schmerzensgeld

Nachdem eine Frau erfuhr, dass ihr Lebensgefährte sie mit einer anderen Frau betrogen hat, erteilte die Frau der Rivalin zwei Faustschläge ins Gesicht. Diese begehrte Prozesskostenhilfe für eine Schmerzensgeldklage, doch das Gericht lehnte ab. Nach dem vorausgegangenen Geschlechtsverkehr sei es unbillig, Schmerzensgeld zu verlangen.

(...)


http://www.rechtsindex.de/recht-urteile/4069-zwei-faustschlaege-nach-fremdgehen-kein-schmerzensgeld

Die das Schmerzensgeld ausschließende Provokation der Täterin durch die Geschädigte bestand hier noch nicht einmal in einer Straftat. Einem kriminellen Aggressor immaterielle Schadensersatzzahlungen den ursprünglichen Opfers zuzusprechen (wenn es denn eine Überschreitung des Notwehrrechts gewesen wäre) ist erst recht völlig unvertretbar.
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon Sonnenschein+8+ » Mi 23. Apr 2014, 23:17

http://www.bild.de/regional/hamburg/pro ... .bild.html

ER SCHOSS EINEN RÄUBER († 16) IN DEN RÜCKEN

Rentner (80) weint
im Totschlag-Prozess


Arzt muss klären: Ist er überhaupt fit genug für die Verhandlung?



Vier mal hin und her bis der Prozess anfängt sowas hab ich noch nie gehört.

Die Staatsanwaltschaft Stade ging zunächst von Notwehr aus und stellte die Ermittlungen gegen B. ein – Beginn eines jahrelangen Tauziehens.

Die Familie des Toten erhob Beschwerde; neue Ermittlungen; dann doch erstmals Anklage gegen B. vor dem Landgericht Stade.

Die zuständige Kammer lehnte die Eröffnung des Verfahrens ab, dagegen beschwerte sich die Familie bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle.

Das dortige Oberlandesgericht entschied: Das Landgericht Stade muss verhandeln! Nun liegt der Fall wieder bei der Kammer, die die Eröffnung des Verfahrens ablehnte.
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon Staber » Do 24. Apr 2014, 09:56

Mein Mitleid mit dem Opfer hält sich in Grenzen. Habe ich ja hier schon gepostet .Niemand hat den 16-jährigen "gezwungen" den Rentner zu überfallen. Wenn sich das Opfer heftig wehrt, so ist sicher nicht das Opfer schuld.
Genau sowenig sehe ich übrigens einen angegriffenen Kampfsportler in der Pflicht, den Angreifer mit geringstmöglichem Schaden davonkommen zu lassen. Wenn der Angreifer - gerade wenn er bewaffnet ist - bei der Verteidigung schwer verletzt wird oder stirbt, dann ist das "Berufsrisiko" des Angreifers ,um das mal so auszudrücken .Man muss sich mal die emotionale Lage des alten Mannes versetzen, wird von 5 Männern überfallen, sicherlich auch massiv bedroht und/oder körperlich bedrängt...dass er sich dann mit den Ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wehrt, ist für mich nachvollziehbar.
Ein 80 jähriger hat das Recht sich gegen eine zahlenmäßig überlegene angreifende Gruppe zu wehren. Wenn der Schuss in den Rücken geht und tödlich endet, dann ist das Pech. Die Waffe war legal, der Angriff auf den Rentner nicht. Wenn der Mann normal erzogen ist und ein Gewissen hat, dann ist der gestraft genug. Also Deckel der Akte zu und gut ist.
Ich vermute mal, das Gros hier im Forum teilt meine Meinung nicht. ;) Ich hätte auch nicht anders gehandelt!

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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon Sonnenschein+8+ » Do 24. Apr 2014, 11:01

dieses mal teile ich auch deine Meinung.
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon Staber » Do 24. Apr 2014, 12:01

Sonnenschein+8+ hat geschrieben:dieses mal teile ich auch deine Meinung.


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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon maxikatze » Do 24. Apr 2014, 12:35

Staber hat geschrieben:Mein Mitleid mit dem Opfer hält sich in Grenzen. Habe ich ja hier schon gepostet .Niemand hat den 16-jährigen "gezwungen" den Rentner zu überfallen. Wenn sich das Opfer heftig wehrt, so ist sicher nicht das Opfer schuld.
Genau sowenig sehe ich übrigens einen angegriffenen Kampfsportler in der Pflicht, den Angreifer mit geringstmöglichem Schaden davonkommen zu lassen. Wenn der Angreifer - gerade wenn er bewaffnet ist - bei der Verteidigung schwer verletzt wird oder stirbt, dann ist das "Berufsrisiko" des Angreifers ,um das mal so auszudrücken .Man muss sich mal die emotionale Lage des alten Mannes versetzen, wird von 5 Männern überfallen,
sicherlich auch massiv bedroht und/oder körperlich bedrängt...dass er sich dann mit den Ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wehrt, ist für mich nachvollziehbar.

Ein 80 jähriger hat das Recht sich gegen eine zahlenmäßig überlegene angreifende Gruppe zu wehren. Wenn der Schuss in den Rücken geht und tödlich endet, dann ist das Pech. Die Waffe war legal, der Angriff auf den Rentner nicht. Wenn der Mann normal erzogen ist und ein Gewissen hat, dann ist der gestraft genug. Also Deckel der Akte zu und gut ist.
Ich vermute mal, das Gros hier im Forum teilt meine Meinung nicht. ;) Ich hätte auch nicht anders gehandelt!

MfG


Damit hatten die Täter wohl nicht gerechnet, dass sich jemand wehrt. Zumal es sich um einen betagten Mann handelt. Da dachten die Einbrecher, ein besonders leichtes Spiel zu haben. Falsch gedacht. Der alte Mann hat ihnen eine Lektion erteilt, die sie so schnell nicht vergessen werden. Ob sie wohl in Zukunft ihre Finger von kriminellen Aktivitäten lassen? War das eine Lehre für sie? Setzen sich sich spätestens jetzt mit dem Begriff Notwehr auseinander?
Nun ich bin mir nicht sicher, ob sich der Schütze, bei einem Treffer in den Rücken, auf Notwehr berufen kann. Die Anwälte der Gegenseite werden argumentieren, dass er auf die Beine hätte zielen können.
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon Staber » Do 24. Apr 2014, 13:27

Gab bei den Ausbildern in der BW so ein Schnack" ...„und nach dem Warnschuss immer nur auf die Beine schiessen! Brustbeine, Nasenbeine, Jochbeine …“ Ist jetzt nicht sooo ein Aufreger, meine ich mal. ;)
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Re: Notwehr, Mittäterschaft & Co. - Fallsammlung

Beitragvon AlexRE » Do 24. Apr 2014, 14:40

Ist Euch entgangen, dass der Rentner auf flüchtende Räuber geschossen hat? Der Angriff auf seine Person bzw. Persönlichkeitsrechte (Gesundheit & Freiheit) war beendet, er hat mit dem Todesschuss nur sein Eigentumsrecht an den geraubten 2.000 Euro verteidigt.

Grundsätzlich ist zwar auch das Eigentumsrecht notwehrfähig, weil das deutsche Notwehrrecht insoweit keine Unterschiede macht, aber die Verteidigung von Bagatellbeträgen mit tödlichen Mitteln gilt als nicht "geboten" im Sinne des § 32 StGB:


§ 32 Notwehr

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.


http://dejure.org/gesetze/StGB/32.html

Vielleicht sind die zuständigen Juristen in Stade und Celle sich uneins darüber, ob die Verteidigung des Eigentumsrechts an 2.000 Euro durch einen Millionär mit tödlichen Mitteln "geboten" ist oder nicht. Das weiß ich aber nicht genau, weil die Gründe des OLG nicht im Netz veröffentlicht sind.
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