http://www.tagesschau.de/ausland/schulz-rede-knesset100.html
Solange maßgebliche Autoritäten der islamischen Welt und Regierungen wie die des Iran das Existenzrecht Israels bestreiten, bin ich normalerweise sehr zurückhaltend darin, das israelische Streben nach Sicherheit und notfalls militärischer Selbstbehauptung (einseitig) zu kritisieren. Man kann Schulz allerdings nicht vorwerfen, dass er in seiner Rede diese berechtigten israelischen Interessen nicht oder nur unzulänglich berücksichtigt hätte:
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Die offenen Drohungen des letzten iranischen Präsidenten gegen Israel sind nicht vergessen, auch nicht, dass bis vor nicht allzu langer Zeit Sitzungen in Teheran mit dem Satz beendet wurden: „Tod Israel“.
Deshalb: Ich kann gut nachvollziehen, dass sich Israel durch die Aussicht auf einen mit Nuklearsprengköpfen bewaffneten Iran existenziell bedroht fühlen. Das ist nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern für den Frieden in der Welt.
Deshalb überwacht die EU die Umsetzung des vorläufigen Abkommens sehr streng. Denn, das kann ich Ihnen versichern, darin stimmen wir überein: Iran darf niemals in den Besitz von Atomwaffen kommen. Und der beste Weg, um das zu erreichen, sind Diplomatie und Dialog. Denn es ist in unser aller Interesse, diese Frage friedlich zu lösen und alles zu tun, um einen weiteren Krieg im Nahen Osten zu verhindern.
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http://www.faz.net/aktuell/politik/israel-schulz-knesset-rede-im-volltext-12798970.html
Danach durfte und musste er auch aus meiner Sicht (als jemand, der Israel - Bashing im Internet oft widerspricht) palästinensische Anliegen vortragen:
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Ich habe vor zwei Tagen mit jungen Menschen in Ramallah gesprochen, die wie junge Menschen überall auf der Welt eine Ausbildung machen, studieren, reisen, eine Arbeit finden und eine Familie gründen wollen. Sie haben aber auch einen Traum, der für die meisten jungen Menschen selbstverständlicher Alltag ist: frei in ihrem eigenen Land zu leben, frei von Gewalt, ohne Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit. Das palästinensische Volk hat wie das israelische Volk ein Recht darauf, seinen Traum von einem eigenen, lebensfähigen und demokratischen Staat zu erfüllen. Die Palästinenser haben genauso wie Israelis ein Recht auf Selbstbestimmung und Gerechtigkeit.
Einer der Fragen dieser jungen Menschen, die mich am meisten bewegt hat, war: Wie kann es sein, dass Israelis 70 Liter Wasser am Tag benutzen dürfen und Palästinenser nur 17?
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Einer der großen Streitpunkte ist der Siedlungsbau. Es ist Ihnen bekannt, dass das Europäische Parlament ebenso wie die Vereinten Nationen, Resolutionen verabschiedet hat, die den von Ihnen favorisierten Siedlungsbau und –ausbau kritisieren und seinen Stopp fordern. Ganz sicher ist die Abtrennung Ost-Jerusalems von der Westbank in den Augen der EU und der gesamten internationalen Gemeinschaft eine Hürde auf dem Weg zu einer demokratischen Friedenslösung.
Die Blockade des Gaza-Streifens ist Ihre Reaktion auf Angriffe auf die Zivilbevölkerung. Aber sie lässt auch keine wirkliche Entwicklung zu und treibt Menschen in die Verzweiflung, die wiederum von Extremisten benutzt wird. Möglicherwiese schafft die Blockade so nicht mehr, sondern weniger Sicherheit.
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Das ist hinsichtlich der Frage der Wassernutzung eindeutig berechtigt, hinsichtlich der Blockade des Gaza-Streifens nicht ganz so eindeutig. Immerhin wird von Gaza aus regelmäßig israelisches Territorium beschossen und die Blockade dient dazu, zur Waffenproduktion geeignete Materialien aus den Lieferungen nach Gaza herauszufiltern. Die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten usw. wird überhaupt nicht eingeschränkt.
Wenn den Israelis so eine Rede nicht passt, dürfen sie keine europäischen Politiker zu Reden vor der Knesset einladen. Das ist ein Parlament eines demokratischen Staates, also ein Ort, an dem kontroverse Positionen besprochen werden sollen. Einseitiges Drehen an Gebetsmühlen ist eines solchen Ortes unwürdig.