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«Die Schweiz ist viel zu gutgläubig»Von Dietegen Müller, Finanz und Wirtschaft. Aktualisiert am 13.06.2012 52 Kommentare
Der Schweizer Finanzplatz ist unter Druck. Noch ist nicht klar, ob das Steuerabkommen mit Deutschland Anfang 2013 in Kraft treten wird. Der Geldwäsche-Experte Andreas Frank sagt, welche Optionen bleiben.
Was meinen Sie mit «Rolle rückwärts»?
Es gibt ein Recht auf Privatsphäre. Was mit den Facebook-Daten geschieht, sollte allen eine Warnung sein. In einem internationalen Informationsaustausch – auch nach OECD-Doppelbesteuerungsabkommen – wird dieses Recht tangiert. Wozu dies führen kann, zeigt seit 2005 die automatisierte Kontenabfrage in der Bundesrepublik. Nur Kontostammnummern würden abgefragt, hiess es anfangs. Nun wissen wir aber, dass mehr abgefragt wird, die Zahl der Abfragen stetig steigt, aber nur neun von zehn Anfragen relevant sind.
Doch die EU und die USA streben den automatischen Informationsaustausch an.
Im Gegensatz dazu sollte die Schweiz lieber weniger statt mehr Daten herausgeben. Und wenn, dann nur rechtsstaatlich überprüft, genau dokumentiert. Damit nachweisbar ist, dass der Rechtsstaat Recht durchsetzt. Die Schweiz ist viel zu gutgläubig. Sie hat 120 bilaterale Abkommen geschlossen und setzt sie alle um. Wenn sie wüsste, wie wenig die Verträge von den anderen Staaten umgesetzt werden, würde die Sache anders aussehen.
Das sagen Sie.
Warum versucht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Zustimmung zum Steuerabkommen mit dem Hinweis auf Mehreinnahmen zu erkaufen? Warum packt er nicht das Problem der 400 Mrd. € grossen Schattenwirtschaft in seinem Land an, die den Fiskus Milliarden kostet? Wo bleibt der deutsche Staat in der Umsetzung des Geldwäschegesetzes? Die Verhältnismässigkeit der moralisch begründeten Vorwürfe gegen die Schweiz fehlt.
Sie monieren seit Jahren, Deutschland tue zu wenig gegen Geldwäsche – nun wird das Gesetzt doch revidiert.
Das Gesetz gibt es seit 1993, aber der verantwortliche Referatsleiter im Finanzministerium spricht selbst von Reparaturarbeiten. Es funktioniert bisher nicht. Würde Deutschland in der Umsetzung die Führung übernehmen, wären auch andere Staaten einfacher zur Einhaltung zu bringen. Aber wenn Deutschland bei der EU-Kommission selbst täuscht – warum sollen andere Länder ehrlich sein? Deutschland hat ein riesiges Problem, weil die Bestechung von Politikern nicht strafbar ist. Deutschland hat die Europaratsresolution gegen Korruption unterschrieben, aber nicht ratifiziert, auch die Uno-Konvention zur Korruptionsverhinderung nicht. Insgesamt 48 Europaratsresolutionen sind von Deutschland unterschrieben, aber nicht ratifiziert worden.
Der deutsche Mittelständler, der in der Schweiz Geld gespart und – inakzeptablerweise – nicht versteuert hat, wird die Abgeltungssteuer zahlen. Organisierte Kriminalität wird aber stets versuchen auszuweichen. Über eine anonyme Amnestie wird Kriminalität geschützt. Die Abgeltung kann übrigens gar nicht anonym sein: Es ist unmöglich, eine Amnestie zu bekommen, ohne der Aufsicht namentlich bekannt zu sein.
Ist dies zu fordern nicht blauäugig?
Es fällt auf, dass die Schweiz als einziges der Länder, die als Steueroase gelten, derart attackiert wird. Ihr fehlen Alliierte. Dass die Schweiz wegen der Vorfälle mit UBS, Wegelin und CS ausgerechnet gegenüber den USA so erpressbar geworden ist, sagt viel aus. Die US-Bank Wachovia hat nachweisbar 380 Mrd. $ mexikanisches Drogengeld gewaschen und kam mit 160 Millionen $ Busse davon. Das ist ein Armutszeugnis für die Geldwäschebekämpfung.
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