"Cum Ex" - Geschäfte

Hier wird das wirtschaftspolitische Profil für die Zeit nach der 2. Parteigründung diskutiert.

Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon icke » Mo 26. Jun 2017, 13:09

Der Untersuchungsausschuss legte seine Ergebnisse zu den Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften vor. Opposition und Koalition sind sich nur in einem Punkt einig: Die unter dem Namen "Cum-ex" bekannt gewordenen Aktiendeals seien von Anfang an illegal gewesen. Das seien keine Steuertricks pfiffiger Berater, Banken und Anleger, die über Jahre eine vermeintliche Gesetzeslücke ausgenutzt hätten. Cum-Ex mit Leerverkäufen sei immer illegal gewesen.

Zu einem gemeinsamen Abschlussbericht konnten sich die Parteien trotzdem nicht durchringen. Zu groß sind die Differenzen bei den Schlussfolgerungen. Linke und Grüne legen jeweils ein eigenes Resümee vor, Union und SPD ihre gemeinsame Sicht der Dinge — mit Entlastung auch der Verwaltung. Schließlich stellten sie in besagter Zeit mit Steinbrück und Schäuble die Finanzminister. Also alles wie im Kölner Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht.

Dabei hatte "Cum EX" alle Zutaten, die zu einer Affäre gehören: Milliarden-Verluste für den Staat, lange ahnungs- und tatenlose Politiker und Finanzaufseher, gierige Anleger sowie skrupellose Banker und Steuerberater, "Whistleblower", Lobbyisten als Gesetzesschreiber und Maulwürfe in Ministerien. Mehrere Gerichtsurteile und fast 30 Ermittlungsverfahren gibt es bereits. Gegen mehr als 100 Banken werde ermittelt. Ermittelt werde sogar wegen bandenmäßiger Steuerhinterziehung in schweren Fällen, Der Untersuchungsausschuss hat in 19 öffentlichen Beweisaufnahmen fünf Sachverständige und rund 70 Zeugen gehört. Mehr als 200 Beweisbeschlüsse wurden gefasst. Am Ende aber gelingt keine gemeinsame Schlussfolgerung der Bundestags-Parteien.

Mitgemischt haben kleine wie große Banken, öffentlich-rechtliche Landesbanken und Institute, die vom Steuerzahler gerettet werden mussten und sich noch teils in Staatshand befinden wie die Commerzbank. Die Maple Bank ist wegen „Cum-Ex“ pleite gegangen. Das ein oder andere Geldhaus hat von sich aus reinen Tisch gemacht und Steuern nachgezahlt. Andere klagten gegen Rückzahlungsforderungen — in der Hoffnung, dass sich die Geschäfte als legal herausstellen. Erst kürzlich aber sollen weitere Insider ausgepackt haben, weshalb auf manche Banken und Aktienhändler noch Razzien zukommen dürften.

https://www.bundestag.de/ausschuesse18/ ... sausschuss

https://www.wallstreet-online.de/nachri ... mittlungen
icke
 

Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon Staber » Mo 26. Jun 2017, 13:48

@ icke
Zu einem gemeinsamen Abschlussbericht konnten sich die Parteien trotzdem nicht durchringen


Wie war noch der Amtseid:
>> Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde <
<
Anscheinend verstehen einige Minister das nur symbolisch.Meine persönliche Meinung: Viele Politiker sind ehrlose, opportunistische, rückgratlose Gestalten. Sie vertreten, wie man hier an diesem Beispiel gut erkennen kann, nicht die Interessen der Mehrheit der Bürger.
Nur über den Weg des Staatsanwalt wird das Thema überhaupt eines..
Aber reicht es aus, die Aufarbeitung des Skandals Steuerfahndern, Staatsanwälten und Gerichten zu überlassen? Nein. Denn dass die Steuerbetrüger mit ihrer Beute davonkamen, liegt nicht zuletzt an einer gefährlichen Mischung aus politischem Desinteresse, Blauäugigkeit im Finanzministerium und dogmatischer Abgrenzung einzelner Unterbehörden in ihren Zuständigkeiten.
Und hier dürfte weniger "Mischung aus politischem Desinteresse, Blauäugigkeit im Finanzministerium und dogmatischer Abgrenzung einzelner Unterbehörden in ihren Zuständigkeiten" der Punkt sein, sondern der politische Wille, es zum Thema zu machen. Schon gar nicht vor Wahlen im Bund.
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Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon icke » Sa 11. Nov 2017, 15:19

Laut einer Antwort des Finanzministeriums auf eine parlamentarische Anfrage sind inzwischen 23 Verfahren rechtskräftig abgeschlossen und hätten der Bundesregierung 436 Millionen Euro eingebracht. Alle abgeschlossenen Fallkomplexe seien für die Finanzverwaltung positiv ausgegangen, berichtet die Deutsche Bundesregierung in ihrer Antwort (18/13686) Das ist viel Geld - vor allem angesichts der Tatsache, dass diese 23 Verfahren "weniger als ein Zehntel" der untersuchten Fälle ausmachen. Die Staatsanwaltschaft Köln muss wegen Verjährung nun Tempo machen.

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/136/1813686.pdf
http://www.finanzen.net/nachricht/aktie ... ck-5762912

Manche Beteiligung an dem "schwer zu knackenden System" wurde nur durch Aussagen von Insidern bekannt. Man kann also davon ausgehen, dass es eine Dunkelziffer gibt.
http://www.zeit.de/2016/48/hamburg-priv ... ft/seite-2

Bemerkenswert ist die Liste der Banken, die in diesem Zusammenhang genannt werden: "Morgan Stanley und JP Morgan aus den USA, HSBC aus Großbritannien und auch die französische Großbank BNP Paribas. Nach Angaben aus Finanzkreisen hat BNP Paribas im November einen Termin bei der Staatsanwaltschaft Köln. Die BNP äußert sich dazu nicht. Auch andere Institute wie Caceis, ein Münchner Ableger der französischen Großbank Crédit Agricole, und die UBS aus der Schweiz ziehen es vor, zu schweigen." Auch die Deutsche Bank wird erwähnt. Sie soll bereits umfangreiches Material geliefert und früher ausgestellte Bescheinigungen, "die sich als falsch erwiesen haben", zurückgezogen haben.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/s ... -1.3730810
https://www.heise.de/tp/features/Cum-Ex ... 77909.html

Lobby Control: In diesem Fall übernahm das Bundesfinanzministerium einenTeil der Gesetzesbegründung des Jahressteuergesetzes 2007 fast wortgleich aus einem Schreiben des Bundesverbands deutscherBanken (BdB). Die entsprechende Passage wurde anschließend "am häufigsten genutzt, um die Scheinlegalität von Cum/Ex aufrechtzuerhalten", stellt der Abschlussbericht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Untersuchungsausschuss im Cum/Ex-Skandal fest. Die Folge war ein Verlust von rund zehn Milliarden Euro - für die Steuerzahler/innen. Gut möglich, dass eine Legislative Fußspur dies verhindert hätte: Wäre der Einfluss der Finanzlobby konkret nachvollziehbar gewesen, hätte der Bundestag die Gesetzesvorlage sicherlich kritischer hinterfragt.
https://www.heise.de/tp/features/LobbyC ... 51002.html
http://www.spiegel.de/fotostrecke/cum-u ... 42780.html
icke
 

Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon icke » Mi 15. Nov 2017, 14:48

Kubicki vertritt einen der Hauptangeklagten (Hanno Berger). Als Abgeordneter und eventuell zukünftiger Finanzminister soll er dem Staat dienen, als Anwalt für Berger gegen den Staat verteidigen. Lindner sieht in diesem Spagat keinen Interessenkonflikt.
http://www.focus.de/finanzen/steuern/er ... 53518.html

In den letzten Tagen fanden Razzien bei der Kanzlei Freshfields und der Commerzbank statt.
https://www.juve.de/nachrichten/namenun ... rt-leitner
https://www.juve.de/nachrichten/namenun ... ommerzbank
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Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon AlexRE » Fr 19. Okt 2018, 22:46

Wer sich umfassend über das Thema informieren will, kann sich den langen (aber lesenswerten) Bericht von CORRECTIV zu den journalistischen Recherchen vor und während der Veröffentlichungen in den Medien und der Aufnahme der staatsanwaltlichen Ermittlungen ansehen:

THE CUMEX FILES

A CROSS - BORDER INVESTIGATION

(...)

Am Anfang steht die Gier. Aber irgendwann, sagt Frey, wird Geld zur abstrakten Größe. Es ginge nicht mehr um die nächsten Millionen. Es ginge um Herausforderungen, um Thrill. Man könnte auch sagen: Zur Gier gesellen sich Arroganz und Allmachtphantasien.

„Stellen Sie sich ein 38 Stockwerke hohes Haus in Frankfurt vor. Wenn Sie dann runtergeguckt haben auf die Straße, auf die Taunusanlange, dann haben Sie nur noch ganz kleine Menschen gesehen. Wir haben von da oben aus dem Fenster geguckt und haben gedacht: Wir sind die Schlausten. Wir sind die Genies. Und ihr seid alle doof.“

Wobei: Manchmal hat man sich die Menschen dort oben, im 32. Stock im Skyper in Frankfurt, Taunusanlage 1, offenbar zumindest vorgestellt. Bei Meetings mit Bankern fallen Sprüche wie: „Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in Deutschland weniger Kindergärten gebaut werden, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier falsch.“

Niemand verlässt den Raum.

(...)


https://cumex-files.com/
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Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon Staber » Sa 20. Okt 2018, 18:45

Ich glaube nicht, dass sich das Thema parteipolitisch ausschlachten lässt. Schäuble war seit '09 Finanzminister. Auch er hat jahrelang tatenlos zugeschaut, auf immer dringlichere Warnungen nicht reagiert. Honi soit qui mal y pense. („Beschämt sei, wer schlecht darüber denkt“)
Die Ausmaße sind gigantisch, stellen sogar die Gewaltsummen, die bei verunglückten Projekten der Bundeswehr in den Sand gesetzt werden, in den Schatten. Wenn es dann z.B. um Altenpflege geht, muss jeder Cent dreimal umgedreht werden. Wenn die etablierten Parteien nach Gründen für Verbitterung suchen, hier haben sie einen.
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Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon icke » So 10. Mär 2019, 09:21

Der Wirtschaftsprüfkonzern KPMG entschlüsselte bereits 2010, wie Cum-Ex-Deals funktionierten.

Eine Gruppe blieb bei der Aufarbeitung des Steuerskandals bislang weitgehend unbehelligt: die der weltgrößten Wirtschaftsprüfkonzerne. Die Prüfer sollen - im Auftrag der Öffentlichkeit - die Bilanzen von Unternehmen überwachen und Alarm schlagen, wenn sie auf Risiken stoßen. Nach der weltweiten Finanzkrise sollten sie besonders bei Banken und Versicherungen hinschauen. Auch die Bilanzen jener Banken, die exzessiv "Cum-Ex"-Geschäfte betrieben hatten, wurden von den Prüfgiganten testiert: die HypoVereinsbank, die Valovis-Bank und die HSH Nordbank etwa von KPMG, die DZ Bank von EY.

Dass es um ein fragwürdiges Geschäft gehen würde, war für den Steuerexperten von KPMG wohl gleich beim ersten Treffen im Dezember 2009 zu erahnen. Zwei Manager der Hamburger Varengold-Bank hatten zu einem Meeting geladen. Die Steuerrechtler listeten auf 27 Seiten detailliert auf, warum die "Cum-Ex"-Geschäfte eines Fonds der Varengold-Investmenttochter womöglich rechtswidrig seien. Sie sprachen von Risiken für die Varengold-Firma und problematisierten die Gefahr verdeckter Absprachen. Jahre, bevor sich Fahnder und Staatsanwälte mit dem mutmaßlichen Steuerraub beschäftigten, hatten KPMG-Berater die Kniffe der "Cum-Ex"-Geschäfte bereits weitgehend entschlüsselt. Offensichtlich klang das Ergebnis nicht nach dem, was die Varengold-Manager hören wollten. Sie setzten die KPMG-Steuerberater kurzerhand vor die Tür.

Für KPMG war das Kapitel damit nicht beendet. Denn KPMG war auch von der Varengold-Tochter beauftragt worden, den Jahresabschluss zu prüfen. Nun saßen die Bilanzexperten auf einer tickenden Zeitbombe. Denn durch ihre Steuerkollegen aus Frankfurt wussten sie, was da lief in Sachen "Cum-Ex". KPMG prüfte akribisch. Die hauseigene Rechtsabteilung in Leipzig wurde eingeschaltet, ebenso Prüfer in Berlin und Steuerfachleute in Frankfurt. Wie Steuerfahnder nahmen sie einzelne "Cum-Ex"-Transaktionen auseinander. KPMG informierte offenbar sogar die Bankenaufsicht BaFin, dass es einen Hinweis auf die Risiken im Jahresabschluss der Varengold-Tochter geben müsse.

Im August 2011 schrieb der Abschlussprüfer schließlich den Varengold-Verantwortlichen: Die Risiken müssten unbedingt im Lagebericht veröffentlicht werden. Sollte die Finanzverwaltung die "Cum-Ex"-Geschäfte für illegal befinden, sei die Varengold Investment AG in ihrer Existenz bedroht. Varengold verweigerte schlicht, steuerliche Risiken zu veröffentlichen. Die Bank legte ein Rechtsgutachten vor, verfasst von den Entwicklern der "Cum-Ex"-Masche.


Fragwürdige Forderungen
Im Winter 2014 erreichte das Bundeszentralamt für Steuern ein bemerkenswertes Schreiben: Anträge für Steuererstattungen in zweistelliger Millionenhöhe. Absender war KPMG, das sich als Insolvenzverwalter der britischen Bank MF Global zu erkennen gab. Das Unfassbare: Die Millionen, die sie aus der deutschen Staatskasse forderten, bezogen sich auf "Cum Ex"-Deals aus dem Jahr 2011, die MF Global nun nachträglich zufließen sollten. Der Insolvenzverwalter KPMG versuchte offenbar, im Namen der britischen Bank noch einmal in die Staatskasse zu greifen.


https://www.tagesschau.de/wirtschaft/cu ... g-101.html
icke
 

Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon icke » So 1. Sep 2019, 15:51

Im Fall der Cum-Ex-Aktiengeschäfte sind noch viele Anträge auf Steuererstattung in Millionenhöhe offen. Aufgrund anhaltender Ermittlungen hat das Bundeszentralamt für Steuern über 135 Anträge in Höhe von insgesamt 623 Millionen Euro noch nicht entschieden. Das geht aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Kleine Anfrage hervor. Die Anträge reichen bis 2006 zurück. Die weitaus meisten stammen aber aus dem Jahr 2011, kurz bevor das Steuerschlupfloch geschlossen wurde. Auf sie entfallen rund 585 Millionen Euro. In weiteren 46 Fällen hat das Zentralamt bereits gezahlte Beträge zurückgefordert oder die Anträge wurden zurückgezogen. Diese Fälle beliefen sich auf zusammen rund 500 Millionen Euro.

https://www.n-tv.de/wirtschaft/Viele-In ... 43478.html

Freshfields hat sich mit dem Insolvenzverwalter der Maple Bank auf einen Vergleich geeinigt. Die Kanzlei zahlt 50 Millionen Euro, im Gegenzug wird eine Schadensersatzklage wegen Falschberatung zurückgenommen.
https://www.lto.de/recht/kanzleien-unte ... eschaefte/


Anfang 2016 schloss die Finanzaufsicht Maple Deutschland. Mehr als 150 Millionen Euro verdienten die fünf Chefs an der Spitze der Maple Bank in den fünf Jahren zwischen 2006 und 2011. Allein im Spitzenjahr waren es 62,2 Millionen Euro. Ein kriminelles Glanzstück“, nannte der Präsident des Finanzgerichts Köln unlängst die Methode Cum-Ex. https://www.handelsblatt.com/finanzen/b ... 56090.html?
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Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon AlexRE » So 1. Sep 2019, 21:00

Ein kriminelles Glanzstück


Von wegen - einen unfähigen Staat zu schädigen, erfordert keine Genialität. Unter Blinden ist der Einäuge König ...
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Re: "Cum Ex" - Geschäfte

Beitragvon AlexRE » Di 10. Sep 2019, 19:45

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